Merkels Handykommunikation im Visier der NSA

Gestern Abend wurde berichtet, dass es Hinweise gäbe, dass sich selbst Merkels privates Handy jahrelang im Visier der US-Geheimdienste befände. Alle Welt schreit jetzt auf. Warum nur?
Ein (nicht ganz ernst gemeinter) Kommentar.

Es fing alles mit den Anschlägen von 9/11 an. Damals versprach Bundeskanzler Schröder den USA „Uneingeschränkte Solidarität“ (SPIEGEL, Heft 38/2001: Wir sind eine Welt). Etwas besorgt waren deutsche Politiker damals nur wegen möglicher militärischer Gegenschläge.
Dass die USA langfristig auch einen anderen Weg einschlagen würden, zeigt sich nun z. B. auch darin, dass möglicherweise auch das Handy von Bundeskanzlerin Merkel überwacht wurde.

Rückblickend betrachtet ist das alles eigentlich nicht überraschend, hat sich das alles doch schon kurz nach 9/11 angedeutet:

„SPIEGEL: Man fragt sich, warum die amerikanischen Geheimdienste wieder mal so ahnungslos waren.

Johnson: Das ist genau der Punkt. Die Milliarden, die für die Raketenverteidigung ausgegeben werden, sollte man lieber in vernünftige Nachrichtenbeschaffung stecken. Was hier geschehen ist, war direkt zurückzuführen auf ein totales Versagen unserer Aufklärung. Genau so wie vor 60 Jahren in Pearl Harbor. Ich frage mich, was machen die eigentlich mit den Milliarden Steuergeldern?“

(Quelle: SPIEGEL, Heft 38/2001: Hass von ganzem Herzen. Politikwissenschaftler Chalmers Johnson über amerikanische Hegemonialpolitik und Anti-Yankee-Ressentiments)

Aber auch die Gefahren, die neue Techniken mit sich bringen können, waren damals schon bekannt:

„Wir müssen einen umfassenden Diskussionsprozess einleiten über die Frage, wie viel Kontrolle der demokratische Rechtsstaat verträgt“, fordert Datenschützer Jacob. „Es gehört zu den Grundrechten, unbeobachtet zu sein.“

(Quelle: SPIEGEL, Heft 42/2001: Die Grenzen der Freiheit. Gentechnik und computergestützte Bildauswertung lassen das perfekte Verbrechen immer mehr zur Illusion werden. Neue Kriminaltechniken können auch helfen, Terroristen zu fassen)

Seien wir doch mal ehrlich: Was ist besser? Frei, aber ungeschützt zu sein, oder etwas unfrei, aber dafür sicher wie in Abrahams Schoß (seltsamerweise muss ich dabei immer gleich an Nordkorea denken, über das ich mal gehört hatte, es sei eines der sichersten Länder der Welt…)?

Bei der Aufgabe, uns zu schützen, stehen wir aber vor einem grundlegenden Problem: wie erkenne ich Freund und Feind? Niemand trägt ein Schild auf der Stirn, auf dem steht, ich bin dein Freund, ich bin dein Feind. Wir erinnern uns: ein paar der Attentäter von 9/11 haben vorher in Deutschland gelebt. Hätten wir damals gewusst, was diese Kerle vorhatten, sie wären doch nie so weit gekommen – wir hätten sie aufgehalten! Wenn wir es denn vorher gewusst hätten.
Weil wir aber erst einmal Freund von Feind nicht unterscheiden können, gibt es nur eine sinnvolle Lösung: Jeder ist erst einmal solange verdächtigt, bis seine Unschuld zweifelsfrei bewiesen ist (warum muss ich jetzt an die christliche Erbsünde denken?).

„Obama wies die Vorwürfe zurück. Die Kommunikation Merkels werde nicht überwacht, sagte ein Sprecher. Wörtlich sagte er: U.S. ‚is not monitoring and will not monitor‘ Merkel. Das Problem: Im Englischen bedeutet das Verb to monitor beides: Überwachen und Abhören. Sollte Obamas Sprecher Abhören gemeint haben, wäre damit weiter denkbar, dass die NSA Merkels Kommunikation überwacht, also Kommunikationsdaten abschöpft.“

(Quelle: ZEIT Online, 24.10.2013: Politiker fordern Klarheit über mögliche Überwachung Merkels)

Für mich ist es aufgrund der bisherigen Entwicklung daher vollkommen logisch nachvollziehbar, dass die NSA erst einmal pauschal alles sammeln muss, was sie bekommen kann, weil, die Welt ist böse und verdächtig sind wir ja damit erst einmal alle. Insofern kann ich mir gut vorstellen, dass auch die Kommunikation von Merkels privatem(!) Handy wie die von jedem anderen Handy abgesaugt und überwacht wurde, ohne dass damit irgendjemand bereits unter konkretem Verdacht stände. Daher muss das Abschöpfen der Daten natürlich nicht zwangsläufig mit einer gezielten Spionage von Merkels Kommunikation zusammenhängen. Wahrscheinlich hört noch nicht einmal ein menschliches Ohr mit, sondern Maschinen filtern schlicht die Kommunikation nach kritischen Begriffen, die mit einem erneuten Terroranschlag in Zusammenhang stehen könnten.

„Nach den Worten Friedrichs filtern die Nachrichtendienste die Kommunikation lediglich. Eine ‚personenscharfe‘ Aufklärung sei technisch nicht möglich.“

(Quelle: Handelsblatt online, 29.07.2013: Bundesinnenminister Friedrich: Falsche Vorstellungen von NSA-Spähaffäre)

Außerdem, wenn wir nichts Schlimmes zu verbergen haben, dann haben wir ja auch nichts zu befürchten. Gell? Das Telefon als Beichtstuhl. Und unsere uneingeschränkte Solidarität haben die USA ja eh schon. Und schließlich dient das Ganze ja nur unser aller Sicherheit.

Also, alles halb so wild. Solange die USA (und damit die zivilisierte Welt) in Zukunft nicht mehr so ahnungs- und schutzlos sind wie vor dem 11. September 2001.

Veröffentlicht von Gedankenreiter

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